Freiwilligendienst beim GAW

Yu-Jin Shin schreibt uns aus Barcelona

Yu-Jin Shin aus Frankfurt ist jetzt für ein Jahr in Barcelona. Foto Barth

¡Hola, Buenos días!
Mein Name ist Yu-Jin Shin, ich bin 20 Jahre alt und komme aus Frankfurt am Main. Es freut mich sehr, mich, aber vor allem meinen Freiwilligendienst vorstellen zu dürfen!

 

"Ankommen ist ein fortlaufender Prozess"

Bist du gut angekommen? Ja, war meine Antwort im ersten Bericht. Jetzt würde ich sagen, dass ich immer noch am Ankommen bin. Denn ich merke, hinter dem Wort Ankunft ist mehr als das physische Dasein. Ankommen ist kein starrer Zustand, sondern ein fortlaufender Prozess und eine Entwicklung. Der Satz „Alles braucht seine Zeit“ trifft genau auf meinen Freiwilligendienst zu.

Nach einem Jahr hat Yu Jin sich verabschiedet und ist auf dem Jakobsweg gepilgert. "Während des ganzen Weges leerte sich unerwarteterweise mein Kopf, und ich spürte Ruhe und Zufriedenheit, wie schon lange nicht mehr. Es war erstaunlich, was die Natur einem geben konnte. Vor allem die Fülle ihrer stillen Präsenz war unbeschreiblich wohltuend."

Yu-Jin hat sich auch in einem eigenen Video vorgestellt
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Yu-Jin Shin schreibt über ihre ersten Eindrücke
Bläserkreis beim Oktoberfest

Nun bin ich tatsächlich schon seit einem Monat in meiner Einsatzstelle in der deutsch-evangelischen Gemeinde Barcelona. Dank der herzlichen Aufnahme durch die Pfarrfamilie und der Gemeindemitglieder, konnte ich mich schon sehr gut und schnell einleben. Die schnelle Eingewöhnung habe ich auch meiner Mitbewohnerin, die als Religionspädagogik Studentin hier ein Praxissemester absolviert, zu verdanken. Denn oft überschneiden sich unsere Einsatzstellen und wir stärken uns gegenseitig den Rücken.Meine Hauptaufgaben bestehen daraus, dass ich bei den sonntäglichen Gottesdiensten, bei Veranstaltungen und Festen, bei der Kinder- und Jugendarbeit in der deutsch-evangelischen Gemeinde mitwirke.

Es gibt schon allerlei zu tun

Nach meiner Ankunft stand für den September schon vieles an. Es gab ein Konzert, eine kleine Andacht und auch die ersten Jugend- und Konfi-Treffen. Jetzt im Oktober gab es auch schon viel zu tun. Am 6. Oktober haben wir Erntedankgottesdienst und Oktoberfest gefeiert. Dafür wurde schon im September eifrig vorbereitet, indem wir zum Beispiel in der Bastelwerkstatt die Erntekrone und den Erntewagen hergerichtet haben.

Aufregend war es vor allem für die neuen Konfirmanden, die hinter den Ständen standen und somit ihr erstes „Praktikum“ absolvieren durften. Außer der Gemeindearbeit bin ich auch in einem Jugendzentrum „Casa Emmanuel“ tätig. Dort betreue ich die Kinder zwischen 4-11Jahren, indem wir zusammen Hausaufgaben erledigen oder Spiele spielen. Auch helfe ich in einem Projekt mit, der sich an die bedürftigen Menschen richtet. Dort arbeite ich in einem Kleidungsladen und parallel in der Essensausgabe.

Spanisch gelernt

Mir gefällt meine Einsatzstelle sehr, da ich viele Einblicke und Eindrücke aus sehr verschiedenen Bereichen mitnehmen kann. Ich merke jetzt schon, dass mein Horizont erweitert wird und ich mehr Respekt gewinne, da ich die Hingabe und Mühe direkt miterleben darf. Es gibt natürlich Schwierigkeiten, was vor allem die Sprache betrifft. Im Casa Emmanuel wird nur spanisch gesprochen. Da mein Spanisch nicht so gut ist, war ich anfangs sehr frustriert. Allein die Kommunikation zwischen mir und meiner Betreuerin stockte und die Kinder verstanden anfangs nicht, dass ich nur wenig spanisch spreche.

Motivation und Ansporn

Was aber anfangs Belastung und Angst war, verwandelt sich mehr und mehr in Motivation und Ansporn. Ich nehme seit zwei Wochen einen Sprachkurs und versuche auch in Restaurants und in Supermärkten spanisch zu sprechen. Dieses Jahr wird für mich eine Lernphase sein, in der ich mehr Geduld, Flexibilität und Gelassenheit aneigne und weniger selbstkritisch mit mir umgehe! Nun geht es für mich weiter mit den Vorbereitungen für den St.Martin Umzug und dem Adventsbasar! Bestimmt melde ich mich bis dahin nochmal und berichte von den Eindrücken und Erfahrungen, die ich erleben durfte!

Viele Grüße aus Barcelona!! ¡Hasta luego! Und Adiós

Nach zwei Monaten kann sie schon vieles berichten
Hätte man mir vor drei Jahren gesagt, dass ich einen Freiwilligendienst in Barcelona machen würde, hätte ich nur verwirrt zurückgeschaut. Denn mein 17-jähriges Ich hätte damals nicht mal richtig sagen können, was ein Freiwilligendienst ist. Aber nun bin ich tatsächlich hier in Spanien, Barcelona und schreibe meinen ersten Bericht.  
 
„AUF WIEDERSEHEN FRANKFURT“ UND „HALLO BARCELONA“
Es ist schon zwei Monate her, dass ich die letzten Abende mit meiner Familie und Freund/innen verbracht und Abschied genommen habe. Trotzdem erinnere ich mich ganz genau an die Gefühle und Gedanken, die anfangs doch mehr mit Ängsten und Zweifeln als Freude und Erwartungen geprägt waren. Denn nun stand die Welt vor mir, die plötzlich so groß und fremd wirkte.
Doch je näher der Anreisetag kam, desto ruhiger wurde ich. Der Gedanke, dass ich bald in einem fremden Land mit anderer Sprache und Kultur, sowie mit unbekannten Menschen und Orten sein werde, klang allzu surreal. Selbst am Vortag der Ausreise, an dem ich für den Zug nach Barcelona schon nach Stuttgart angereist war, konnte ich das „Tschüss“ und „Auf Wiedersehen“ nicht ganz begreifen.  
Am nächsten Tag um 6:30 Uhr war es nun soweit! Mit den anderen Spanien-Freiwilligen wartete ich auf den Zug. Auf unseren Gesichtern konnte man Aufregung und Freude, aber auch die Nervosität ablesen.  
Als der Zug dann kam, verabschiedeten wir uns, stiegen in den Zug und winkten zum letzten Mal aus dem Fenster. Und jetzt hieß es wirklich: Auf nach Spanien.  
Trotz der langen Zugreise verflog die Zeit und Stunde um Stunde erhaschten wir gespannter einen Blick auf die Karte, um die sich verringernde Distanz zu verfolgen. Um 20:15Uhr hörten wir dann „Barcelona, Sants“. Wir waren nach 13h und 30min endlich in Barcelona! Es hieß wieder Abschied nehmen, aber gleichzeitig auch der Beginn eines Neuanfangs, weshalb ich angekommen nicht anders konnte als breit zu lächeln.  
Meine Mentorin bzw. die Pfarrerin der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde Barcelona holte mich vom Bahnhof ab. Mit dem Bus fuhren wir ca. 20min zur Gemeinde, wo ich die Pfarrfamilie und meine Mitbewohnerin kennenlernen durfte. Nach dem Abendessen gingen meine Mitbewohnerin und ich rüber zu unserem Häuschen, das sich auf dem
Kirchengelände befindet.  
Trotz des schönen Abends war ich froh, Zeit für mich und meine Ankunft zu haben. Denn ich merkte, dass ich die Reise über angespannt war und sich nun der lange Tag bemerkbar machte.
Erst am Morgen realisierte ich, dass ich nun wirklich in Barcelona war und Frankfurt weit weg lag. Das war nun mein neues „Zuhause“. Und ich muss sagen, das Wort „neu“ fühlte sich gut an. Es strahlte Abenteuer aus, was auch Herausforderung bedeutete. Aber mir gefiel dieses Gefühl des Unwissens und der Aufregung.
 
MEINE TÄTIGKEITEN
Meine Einsatzstelle ist die deutschsprachige Gemeinde Barcelona. Hier unterstütze ich das
Pfarrteam bei den sonntäglichen Gottesdiensten, Kindergottesdiensten, bei Veranstaltungen und Festen und während der Jugend- und Konfi-Treffen. Auch Büro- und Hofarbeit gehören zu meinen Tätigkeiten.
Der sonntägliche Gottesdienst steht vor allem im Mittelpunkt. Ich stecke die Liedernummern, lege die Liederbücher raus, wechsle und zünde die Kerzen an, stelle die Blumen raus und pflege den Hof. Wichtig ist aber auch die Vorbereitung des Pica-Picas, unser Kirchencafé, das anschließend stattfindet.  
Das Pica-Pica ermöglicht das Zusammentreffen und den Austausch zwischen den Gemeindemitgliedern. Durch Gespräche konnte ich erfahren, wie wichtig dieses Zusammenkommen für viele ist. Denn es wird ein Ort geschaffen, wo man das teilt, was man hat. Sei es Trauer oder Frust, Trost und Beistand oder das Schöne und Erfreuliche. Man nimmt sich die Zeit füreinander und genießt die Gesellschaft der anderen Person.
Auch ich durfte während des Pica-Picas viele kennenlernen, wertvolle Gespräche führen und Kontakte knüpfen.  
Durch andere gemeinsame Aktivitäten außerhalb des Gottesdienstes wie Gemeindewanderungen werden Bindungen gestärkt und Lebenserfahrungen geteilt. Vor allem die Feste gehören zu den ereignisreichsten Treffzeiten, wo nicht nur bekannte Gesichter, sondern auch Menschen außerhalb der Gemeinde uns besuchen.  
Dafür laufen natürlich lange Vorbereitungen: Im Büro werden viele Telefonate und Termine vereinbart, die Tische und Stühle werden aufgebaut und in der Bastelwerkstatt die Dekorationen geplant und gebastelt. Eines der großen Feste in den vergangenen Wochen war der Erntedankgottesdienst und das anschließende Oktoberfest.  
Außer der Gemeindearbeit habe ich noch zwei weitere Einsatzstellen: Das Jugendzentrum „Casa Emmanuel“ und das Projekt „Chiringuito de Dios“.  
Im Casa Emmanuel betreue ich einmal in der Woche die Kinder im Alter von 4 – 11 Jahren. Zusammen mit der Betreuerin holen wir am Nachmittag die Kinder erstmal von der Schule ab.  
In Spanien ist es üblich, dass man die Kinder noch bis zur Jugendzeit abholt, weshalb man am Nachmittag viele wartende Eltern vor den Schulen sehen kann. Auch sind die meisten Schulen in Spanien Ganztagsschulen und die Kinder kommen erst am späten Nachmittag nach Hause. Das betrifft auch die Kinder im Casa Emmanuel.  
Auf dem Nachhauseweg bekommen sie eine Kleinigkeit zum Essen und in der Casa wird dann zusammen gespielt oder Hausaufgaben erledigt. Vor dem Abendessen machen sich die Kinder bettfertig und erzählen am Esstisch, was sie am Wochenende oder in der Schule erlebt haben.
Ich bin den Kindern sehr dankbar, weil sie mich vom ersten Tag an herzlich aufgenommen haben und auf mich zugekommen sind. Aufgrund der Sprache war und ist es sehr schwierig, mich mit den Kindern zu verständigen und sie zu verstehen. Sie binden mich aber in ihren Gesprächen mit ein, wir spielen zusammen und sie erklären mir die noch unbekannten Abläufe in der Casa. Die Kinder sind meine Motivation und Ansporn, die Kultur und die Sprache besser kennenzulernen.  
Auch im Chiringuito spielt das Spanisch eine Rolle, weil man hier auch im direkten Kontakt zu Einheimischen steht. Das Projekt
„Chiringuito de Dios“ wendet sich an die bedürftigen Menschen in Barcelona. Dabei handelt es sich um zwei verschiedene Tätigkeiten: Die Essensausgabe und die Arbeit in einem Second-hand-Laden.
Hier erhalte ich Einblicke in die so große Touristen-Stadt, jedoch aus einer anderen Perspektive. Themen sind nicht die kulturellen und künstlerischen Schönheiten Barcelonas, sondern das aktuelle Leben und Wohnen sind
Gesprächsthemen. Durch dieses Projekt beginne ich mehr über mein Verhalten, meine Lebensweise und auch das Stadtleben nachzudenken.  
In einen richtigen Austausch mit den Leuten komme ich leider nicht, da meine SpanischKenntnisse dafür noch nicht ausreichen. Aber allein während der Unterhaltungen dabei zu sein, lässt mich über meinen Umgang mit Menschen reflektieren.  
 
 
Herausforderungen und Erfahrungen nach zwei Monaten
Die Erntegaben mit den Konfirmanden vorbereitet
HERAUSFORDERUNGEN
Meine Tätigkeiten ermöglichen mir, verschiedene Eindrücke aus unterschiedlichen Lebensbereichen zu gewinnen und durch neue Perspektiven meinen Horizont zu erweitern.
Trotzdem gibt es Herausforderungen und Schwierigkeiten.
Die erste Hürde ist, wie schon erwähnt, die Sprache. Ich erkenne, wie wichtig Sprache ist und wie viel man schon unbewusst mitnimmt, wenn man einander verstehen kann. Anfangs ist es mir schwergefallen, in den Alltag und Rhythmus der Menschen reinzukommen, was mir auch Schwierigkeiten auf der Arbeit bereitet hat.  
Aber auch meine Erwartungen und
Forderungen an mich selbst haben die zwei Monate deutlich erschwert. Denn schon in Deutschland hatte ich mir To-Do-Listen und eine Ideen-Sammlung für meinen Freiwilligendienst erstellt. In der Einsatzstelle wollte ich mich einbringen und meine Mentoren unterstützen, jedoch gleichzeitig die Sprachkenntnisse verbessern, meine Hobbies weiterführen und Barcelona von allen Seiten kennenlernen. Mit dem Gedanken „Es sind nur noch elf Monate“ habe ich mich selbst gestresst und gehetzt, was am Ende in Frust und Verzweiflung übergegangen ist. In den Seminaren in Deutschland hatten wir genau über diese Themen gesprochen und trotzdem fühlte ich mich wie eine Last.
Diese Sorgen wurden mir genommen, nachdem ich mit meinen Mentor/innen, Betreuer/innen und Freund/innen gesprochen habe. Durch die Gespräche wurde mir bewusst, wie wenig Zeit ich mir doch selbst gegeben hatte, um anzukommen und mich einzuleben.  Ich war zu selbstkritisch mit mir, anstatt flexibel und geduldig zu sein.
Momentan befinde ich mich immer noch in dieser Findungs- und Orientierungphase, aber die Arbeit fällt mir deutlich leichter, wo ich jetzt meine Erwartungen an mich selbst runtergeschraubt habe.  
 
ALLTAGSBILDER
Nach zwei Monaten kann ich sagen, dass ich trotz Herausforderungen nun angekommen bin und mich gut eingelebt habe.  
Es gibt einige Tage, wo ich mich nach dem Gewohnten sehne, vor allem der Sprache wegen. Aber durch das Sehen und Miterleben des Alltags in Barcelona, bekomme ich die Möglichkeit, Einblick in die Werte und Denkweisen der Menschen zu bekommen. Bemerkbar wird, dass das Beisammen- und Miteinandersein sehr geschätzt wird. Man nimmt sich die Zeit, achtet auf das Wohlergehen des anderen und genießt den Moment im Jetzt.  
Das Alltagsbild ist deshalb geprägt von Menschen, die sich in Cafés oder Bars zusammenfinden und sich lange unterhalten. Nicht nur auf großen Hauptstraßen findet man diese Bilder, auch in den Seitenstraßen sieht man Grüppchen in oder vor kleinen Lokalen.  
Das interessante dabei ist, dass hierbei alle Altersgruppen vertreten sind. Jugendliche, Erwachsene und Senioren bestimmen gemeinsam das Alltagsbild.  Man kommt an einem Ort zusammen und die Lokale werden zum Treffpunkt unterschiedlichster Menschen.
 
¡HASTA LUEGO!  
Für mich beginnt nun der dritter Monat meines Freiwilligendienstes und ich bin schon gespannt, welche neuen Erfahrungen und Erkenntnisse ich in der nächsten Zeit gewinnen werde.
In Barcelona geht es jetzt langsam auf den Winter zu. Denn im Chiringuito werden die
Wintersachen rausgestellt, im Casa Emmanuel einige Weihnachtslieder gestimmt und in der Gemeinde schon die Adventszeit geplant.  
Bis zum nächsten Bericht wird also einiges passiert sein und vieles zu erzählen geben! Ich freue mich schon darauf, meine neuen Eindrücke und Erfahrungen zu teilen.
¡Hasta luego! Und ¡Adíos!
 
Teilen und die Herausforderungen (Mai 25)
Die Bastelwerkstatt

Teilen und Mitnehmen
Mein Verständnis zur Einsatzstelle verstärkt sich und meine Beziehungen zu meinem Umfeld vertiefen sich. Menschen öffnen sich mir und ich erhalte dadurch eine bessere Vorstellung und neuen Respekt gegenüber ihnen aber auch zu meiner Arbeit selbst. Sie öffnen ihr Lebensbuch und geben mir einen kleinen Einblick in ihre Geschichte, fast wie eine kleine Zeitreise. Ihre Erzählungen sind verschieden geprägt und tragen eine Tiefe und manchmal eine unglaubliche Schwere mit sich, die ich nicht ganz beherrschen kann. Dabei ist eines bei allen gleich. Die Erzählenden glänzen. Ein Glanz aus Erfahrung und Weisheit.
Ich genieße es, den Älteren zuzuhören und einen kleinen Teil ihrer wertvollen Erfahrungen mitnehmen zu dürfen. Aber das Erzählen und Zuhören ist nichts Einseitiges. Auch mir wird ein offenes Ohr geschenkt und wissend zugenickt. Das Öffnen und Vertrauen geschehen automatisch, denn ich werde verstanden. Genau das ist das Besondere. Man ist mit Menschen zusammen, die nur allzu gut verstehen, wie sich bestimmte Dinge anfühlen. Sie wissen, wie es einmal war, wie es ist und vielleicht werden wird.

Das Teilen hilft mir zu reflektieren und die wichtigen Dinge wahrzunehmen, weshalb ich auch beginne, rückblickend auf mein eigenes Umfeld in Frankfurt zu schauen. „Was weiß ich eigentlich von ihren Geschichten?“, frage ich mich. Und mir fällt auf, dass ich zu wenig gefragt, aber ihnen auch keine Möglichkeit zum Erzählen geboten habe.
Es entstehen neue Entschlüsse wie mehr nachzufragen, aber vor allem gut zuzuhören. Ich möchte tiefer auf das Erzählte eingehen und ihnen die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdienen. Schließlich sind es die Menschen, die mir am nächsten stehen und bedingungslos ihre Wärme und Zeit schenken. Ein weiterer Entschluss ist, diese nicht selbstverständlich zu nehmen.

Gemeindearbeit
Das Teilen schafft Bindungen, die wiederum Vertrauen aufbauen. Dadurch entsteht eine neue Ebene, die meiner Arbeit tiefere und emotionale Verknüpfungspunkte bieten. So eröffnen sich mir neue Einsatzmöglichkeiten.
Zum Beispiel begleite ich Andachten mit Gesang und Gitarre, in denen ich Lieder mitbringe, die mich persönlich geprägt und betroffen haben. Im Gemeindebrief schreibe ich kurze Artikel, in denen ich meine Erlebnisse und Erkenntnisse teile. Oftmals sind es Themen, die mir neue Perspektiven geschaffen, mich aber auch ziemlich zum Grübeln gebracht haben.
Auch während der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen fällt mir auf, dass sie sich mehr und mehr öffnen und nicht nur zu mir, sondern auch zueinander Vertrauen aufbauen. Entstanden ist ein Raum für Privates oder Zögerliches und ein Ort, wo verschiedene Sichtweisen respektiert werden.

Herausforderungen
Manchmal kommt es aber auch dazu, dass ich vor Hürden stehe. Hürden, die ich mir selbst auf den Weg stelle. Es sind einmal die Anforderung an mich selbst und die daraus folgenden Bemühungen, möglichst viele Fehltritte vermeiden zu wollen.
Das führt dazu, dass ich in einem Moment meine, den Überblick zu haben, doch im nächsten, eine gewisse Panik verspüre. Eine Flut voller Zweifel und Ängste überkommen mich und weder Gelassenheit noch Ruhe sind aufzufinden. Dabei weiß ich eigentlich selbst, dass während der Arbeit mit Senioren/innen, Kindern oder Jugendlichen viele unerwartete Dinge passieren, und genau diese die Arbeit vervielfältigen und ausgestalten.
Ich kann jetzt schon sagen, dass dieses Freiwilligenjahr für mich eine der wichtigsten Lernphasen sein wird. Denn ich werde direkt mit meinen Schwächen konfrontiert, wobei ich zusätzlich noch nach ihren Umgangsweisen suchen muss.
Die Kraft, loszulassen, schöpfe ich genau aus den Situationen, die ich am liebsten vermieden hätte. Zum Beispiel, wenn Dinge nicht nach Plan verlaufen, und trotzdem ein schönes und nettes Beisammensein entsteht. Ich merke, dass das Abwarten und auch mal das Vorbeibrausen-lassen wichtige Bestandteile des Arbeitsprozesses sind.
Daher kommt auch der Anfangsgedanke über die Ankunft. Darüber nachzudenken und mir immer wieder zu sagen, dass alles „poco a poco“ seinen Platz findet, hilft mir, weiterzumachen und nicht über zu viele Dinge nachzudenken.

Meine Arbeit in der Gemeinde in Barcelona (Mai 25)
Am Strand von Barcelona

Casa Emmanuel
In die Casa Emmanuel zu gehen, hat mich anfangs doch auch Überwindungskraft gekostet. Denn trotz der Freude am Zusammenarbeiten mit den Kindern, stand die Sprache im Weg. Das hat sich nun gebessert. Auch wenn die sprachlichen Fortschritte noch kleinschrittig vorangehen, merke ich, was für einen Unterschied sie doch machen. Die Verständigung funktioniert viel besser und dadurch auch die Arbeit.
Auch das Verhältnis zwischen den Kindern und mir hat sich verändert. Sie sind viel aktiver und aufgeschlossener. Natürlich testen sie ihre Grenzen bei mir aus, wie das oft mal so ist. Aber inzwischen kenne ich die Regeln und Abläufe, so dass ich gut mit solchen Situationen umgehen kann.
Aber vor allem zeigen sie mir ihre inneren Stimmungszustände. In manchen Situationen sind sie reifer als sie in ihrem Alter sein sollten, und andern Mal sind sie verletzlicher. Das führt dazu, dass ich mal überfordert bin. Meine Betreuerin erklärt mir dann oft die Gründe für die Verhaltensweisen und die Herausforderungen der Kinder, was mir sehr hilft, um eine bessere Annäherungs- und Umgangsweise zu finden.
Jedoch mache ich mir langsam Sorgen um den Abschied. Allein schon jetzt merke ich, dass ich mich den Kindern emotional ziemlich angebunden habe.

Chiringuito de Dios
Auch wenn mir der aktive Austausch und der direkte Kontakt in der Gemeinde und im Kinderheim gut gefällt, tut es mir gut, im Chiringuito im Hintergrund die Arbeit abarbeiten zu können.
Da wir uns im Winter befinden, hängen nun die warmen, dicken Kleindungstücke draußen und die Sommersachen sind kistenweise im Lager verstaut. Die Essensausgabe findet leider seltener statt und man merkt, wie wichtig die Spenden für das Projekt sind.
Doch nicht jede Spende kann man als Spende bezeichnen, da nicht alle hilfreich und nützlich sind. Mir schießt der Satz: „Gut gemeint ist nicht immer gut“, in den Kopf.
Was mir auch auffällt, sind die Aufarbeitungen des Viertels „el Raval“, in der sich das Projekt befindet. Schnell merkt man in den Gesprächen, dass das Viertel eines der umstrittensten Viertel ist. Zum einen funktioniert es als kulturelles Zentrum und wichtiger Treffpunkt der Kunst- und Musikszene. Es solle vor den Olympischen Spielen 1992 geheißen haben, „Kunst solle alles ändern“, wodurch Sanierungsarbeiten begonnen haben. Entstanden sind wichtige Museen und Institute, wodurch der Raval tatsächlich eines der beliebtesten Ausgehorte geworden ist und auch für Touristen interessant wurde.
Doch paar Straßenecken von den belebten Plätzen weiter, stehen überfüllte Wohnungen in engen und dunklen Gassen, wo sich keiner hin traut.
Auf dem Platz, wo sich das Chiringuito befindet, ist es so, als würden sich zwei verschiedene Welten, getrennt von einer unsichtbaren Wand, aufeinandertreffen. Auch hier steht ein Kulturwerk. Doch häufig befinden sich die Einwohner des Viertels nicht im Gebäude und genießen die Angebote, sondern gehen um das Gebäude herum, um ihre Beschäftigungen zu erledigen. Meiner Meinung nach ist das Gebäude dann eher ein Umweg, oder etwas extremer gefasst, fast eine Provokation.

Barcelona und ich
Dadurch, dass ich so viele Einblicke in diese Stadt bekomme, lerne ich Barcelona anders kennen.
Ich empfinde Freude daran, bestimmte Straßen und Plätze wiederzuerkennen. In meinem Kopf zeichnet sich dann eine kleine Stadtkarte mit den kleinen Auffälligkeiten der Läden und Hausfassaden auf.
Auch hängen an den Straßen und Orten einzelne Erinnerungen und Erlebnisse, die ich mit bestimmten Emotionen assoziiere. Barcelona wird mehr und mehr zu einer Stadt, von der ich meinen kann, sie zu kennen.
Es fühlt sich befremdlich an, zu wissen, dass ich vor gut einem Jahr mit Abiturthemen beschäftigt war, aber jetzt seit einem halben Jahr mich ganz wo anders befinde. Manchmal, wenn ich durch die Straßen laufe, frage ich mich dann selbst, wie ich mich das wohl getraut habe. Und während des Schreibens fällt mir auf, dass das Abwarten und Auf-sich-zu-kommen-lassen mich bis hierhergetragen haben.

Barcelona ist Yu Jin ans Herz gewachsen

Wir haben Mai und der Juni ist nur noch paar Tage entfernt. Die Luft wird schwüler in Barcelona und die Wärme der Sonnenstrahlen stärker. Der Sommer naht. Und somit auch das Ende meines Dienstes. So richtig begreifen kann ich das noch nicht. Aber ob ich das schon möchte? Eigentlich nicht. Ich möchte noch im Jetzt verweilen und die Gedanken über den Abschied weit hinauszögern. Vielleicht sogar zum Selbstschutz. Denn mir ist Barcelona mit ihren Menschen ans Herz gewachsen.

Arbeit
Seit meinem letzten Bericht hat sich in meiner Einsatzstelle nicht viel verändert. Ich unterstütze weiterhin die Gemeinde bei Veranstaltungen und Treffen, pflege den Hof und knüpfe Freundschaften zu den Gemeindemitgliedern. Auch das Kinderheim und gemeinnützige Projekt „Chiringuito de Dios“ besuche ich noch regelmäßig.
Besondere Ereignisse in den vergangenen Monaten waren die Konfi-Freizeit, die Osterwerkstatt für Kinder, und natürlich Ostern selbst.
Auf der Konfi-Freizeit war es spannend zu sehen, wie die Kinder miteinander agiert haben. Die Freizeit fand zusammen mit den Konfirmanden/innen aus Madrid, Marbella und Mallorca statt, wodurch wir eine recht große Gruppe waren.
Während der gesamten Freizeit habe ich mich in die Zeit zurückversetzt gefühlt, wo ich selbst noch als Teilnehmende und nicht als Betreuerin anwesend war. Ich konnte als außenstehende Person die verschiedenen Kennenlernphasen in Gruppen differenziert miterleben, aber auch die Gefühlszustände der Kinder gut wahrnehmen. Mir ist aufgefallen, dass die Emotionen, die man damals meinte, gut verstecken zu können, den Betreuern/innen doch schnell sichtbarer werden als man denkt und vielleicht auch will. Nervöse Blicke, aufgeregte Gespräche und gespannte Gesichter.
Was mir aber vor allem aufgefallen ist, war der Unterschied der Verhaltensweise zwischen den Altersgruppen. Ich war erstaunt darüber, dass während dieser Reifungsphase allein schon ein zwei Jahre Altersunterschiede so große Auswirkungen haben. Die Themen, die einen beschäftigen und beeinflussen sind ganz andere und dementsprechend auch das Auftreten und Verhalten gegenüber anderen Personen.

Zu Ostern hin wurde eine Osterwerkstatt für die Kinder organisiert, wo sie gärtnern und kreativ werden konnten. Entstanden ist ein kleiner Ostergarten, eine Blumengirlande und viele weitere Bastelwerke.
An Ostern selbst konnte man die Osterfreude so richtig spüren. Gestrahlt haben wieder einmal die Beziehungen der Menschen zueinander und das Vergnügen über das Zusammenkommen und Beisammensein. Es wurde gemeinsam Gottesdienst gefeiert, zusammen gegessen und sich freudig über die Feiertage und die Pläne unterhalten. Dabei sind Familie und die gemeinsame Zeit mit ihnen immer ein Thema.
Mir wird mehr und mehr deutlich, dass die Beziehungen in meiner Einsatzstelle im Mittelpunkt stehen. Vor allem Orte und Zeiten zu schaffen, in denen man den Aufbau von Vertrauen und Verbindungen ermöglichen kann.

Im Kinderheim haben wir anlässlich des Frühlings einen kleinen Garten angelegt. Dazu haben alle Kinder einen Topf bemalt und ihre Pflanze eingetopft. Durch die Arbeit mit den Kindern frage ich mich oft selbst, was meine Kindheit geprägt hat und mich immer noch beeinflusst.
 
Höhen und Tiefen
Wo sich viel getan hat, ist bei mir. 9 Monate. Das sind genug Tage, um Höhen und Tiefen zu erleben, diese zu reflektieren und weiterzuschreiten. Beim Wandern heißt es, dass jeder in seinem eigenen Tempo und Rhythmus laufen muss, um das Ziel zu erreichen. Nun merke ich, dass dieser Ratschlag auch auf andere Situationen übertragbar und zu übertragen ist; in meinem Fall auf meinen Freiwilligendienst.

Die Menschen, die ich durch meine Arbeit kennengelernt habe, geben mir viel, sei es an Weisheit, Wissen, Kraft oder Mut. Neue Menschen kennenzulernen und ihre Geschichte zu erfahren, steigert mein Interesse für den Menschen. Doch wenn man mit sich selbst nicht im Frieden steht, zu große Angst vor Enttäuschung hat und nicht seinem eigenen Metrum nachgeht, verspürt man irgendwann nur noch Frust. Mir wird bewusst, dass ich nicht auf meine Bedürfnisse und Grenzen geachtet habe. Ich habe im falschen Rhythmus und und Takt gearbeitet und an meine Grenzen gekommen.
Etwas erleben dürfen, meinte der Pfarrer. Das hat mich die letzten Tage wieder ins Jetzt getragen. Ich bin in Barcelona. Ich bin in Barcelona und habe viel gesehen und erlebt. All das darf ich erfahren und mitnehmen. Die Menschen und Orte, Gefühlsrausch und Stille, Höhen und Tiefen. Pessimismus verschließt einem oft die Augen und verengt dabei die Blickweite. Man vergisst das Eigentliche. Was zu erleben - etwas erleben zu dürfen, das rufe ich durchgehend in meinen Kopf.

 
Alltagsbilder

Je länger ich in Barcelona bin, desto bewusster werden mir die Auswirkungen des  Massentourismus. Menschenmassen nehmen die Straßen der Innenstadt ein, jedes zweite Geschäft ist entweder ein Souvenir-Shop oder ein Restaurant, das die Touristen zu sich ruft. Einheimische zu finden ist fast wie ein Versteckspiel.
Der Tourismus hat positive Aspekte, wenn es um den interkulturellen Austausch oder die ausgebaute Infrastruktur handelt. Sie hat jedoch auch negative Auswirkungen auf der ökonomischen, ökologischen und sozialen Ebene.
Immer mehr sieht man, wie sich die typischen Touristen-Geschäfte vermehren und lokale Unternehmen verdrängen, was auch zum Aussterben traditioneller Arbeit führt. Einige Geschäfte ändern ihre Zielkundschaft und somit ihr Angebot, um diesen zu umgehen, wodurch jedoch die einheimische Kultur verloren geht. Oft führt es auch zur Kommerzialisierung der Kultur, wobei der wirtschaftliche Aspekt des Gewinns im Vordergrund steht.
Ein Beispiel wäre die Sagrada Familia. Selbst einige Konfirmanden/innen, die in Barcelona geboren und aufgewachsen sind, waren noch nie in der Kathedrale aufgrund der Preise und Menschenmassen. Die Funktion als Stadtkirche für die Bewohner/innen verfehlt sie meiner Meinung nach.
Auch muss man wissen, dass viele Einnahmen aus dem Massentourismus an Großunternehmen aus dem Ausland gehen und die einheimische Bevölkerung im Gegenzug mit sinkender Lebensqualität konfrontiert werden.
Lärm und Überfüllung kommen noch hinzu und erschweren den Alltag, auch auf Lasten der Umwelt. Luftverschmutzung, erhöhtes Müllaufkommen und Zerstörung von Küsten- und anderen Naturgebieten z.B. durch Bebauung sind weitere Folgen von Massentourismus. Zu Benennen ist auch die Versieglung des Bodens. Aufgrund fehlender Versickerungsflächen sind die Auswirkungen bei Unwetter gravierender und tragen ihren Beitrag zur Überschwemmung bei.
Der Wohnungsmangel und die steigenden Mietpreise sind auch wohl bekannte Probleme, die die Medien die letzten Jahre geprägt haben. In vielen Gesprächen mit Bewohnern werden sie oft thematisiert und die Abneigung zum Tourismus wird darin sichtbar. Ein Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt, dass die Durchschnittsmiete um 68% gestiegen ist. Touristische Angebote, vermehrte Ferienwohungen und der größer werdende Residenzial-Tourismus wirken sich negativ aus, was zur Wohnungsnot führt. Das neue Vorhaben, mehr Wohnraum bis 2028 verfügbar zu machen, scheint auch nur nach einer kurzzeitigen Lösung, dadurch dass das Problem „Massentourismus“ nicht richtig ausdiskutiert wird.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass sich die Lebensqualität der Einheimischen durch die fehlende Rücksicht auf sie und die Umwelt stark verschlechtert.
 
¡Hasta luego!
Auch die Zeit tanzt in ihrem Schritt und Fluss weiter und es sind nur noch einige Monate bis zum neuen Abschied und Wiedersehen. Bis dahin werde ich weitere Dinge erleben, lachen und trauern, teilen und genießen, und all das mitnehmen!

Abschied auf dem Jakobsweg

Nun ist es so weit. Der vierte und somit der letzte Bericht.
Dieses Mal möchte ich auf mein Jahr Revue passieren lassen. Nochmal auf die besonderen Momente und Entwicklungen schauen, den Blick aber auch auf den weiteren Weg und das, was ich von hier mitnehme, richten.

Letzte Tätigkeiten und Abschiede
Der Juni war der Abschiedsmonat. In Barcelona beginnt Ende Juni die große Sommerpause, wo Kinder begeistert in die Ferien gehen, Geschäfte ihren Urlaub ankündigen und die Großstadt plötzlich leer und still wirkt. Auch in meinen Einsatzstellen machte sich dieser Übergang sichtbar.
Der erste Abschied war schon Mitte Juni in der Casa Emmanuel. An dem Tag gab ich der Busstrecke besondere Aufmerksamkeit, denn es war nun das letzte Mal, dass ich diese Straßen entlangfuhr.
Dieses Mal holte ich die Kinder nicht wie sonst von der Schule ab, sondern wartete im Heim auf sie, was sich besonders lang anfühlte.
Als die Kinder kamen, wusste ich, dass man ihnen schon erzählt hatte, dass heute der letzte gemeinsame Tag sein würde. Das war eine kleine Erleichterung, denn, auch wenn ich was vorbereitet hatte, war es was anderes, sie vor mir zu haben und ihre Reaktionen zu sehen. Schließlich wusste ich inzwischen, dass die Kinder schon zu oft Abschiede erlebt hatten.
Wir versammelten uns am Tisch und sprachen eifrig über die gemeinsamen Aktivitäten, die wir in den zehn Monaten unternommen hatten. Es war schön zu hören, an was sie sich alles erinnerten. Ich bekam zum Abschied noch eine Abschiedskarte und eine warme Dusche. Es waren Wünsche für meine Gesundheit, Zufriedenheit, aber auch Freude und Glück. Als Abschluss vom Ganzen gingen wir dann in den Park, wo sich jeder ein Eis holte und die letzten gemeinsamen Stunden genoss.

DIe Konfirmation
In der Kirche war auch einiges los. Nämlich fand im Juni die Konfirmation statt, worauf wir uns seit letztem September im Konfi-Kurs hingearbeitet hatten.
Beim letzten Konfi-Treffen war die Aufregung der Konfis schon spürbar. Sie brachten ihre Schuhe zum Probe-Einlaufen mit, fragten viele, aber wirklich viele Fragen zum Ablauf und erzählten von den ganzen Vorbereitungen bei ihnen zuhause.
Am Vortag der Konfirmation gab es auch noch einen gemeinsamen Sing-Workshop für die Konfi-Familien und zum Schluss das gemeinsame Abendmahl. Für manche Konfis war es das Erste, das dadurch besonderer wurde, dass die Konfisihren Familien selbst das Brot und den Wein reichen durften.
Am Konfirmationstag selbst waren alle natürlich viel aufgeregter und zappeliger, gleichzeitig voller Vorfreude und Gespanntheit.
Für mich war es auch ein unbegreifliches Gefühl, sie vorne am Altar zu sehen, wo sie nun ihre Urkunden und ihre Konfi-Kerzen in der Hand trugen. Es war einer der bedeutungsvollsten Momente meines Dienstes. Ich kannte diese Jugendlichen nun echt gut. Es waren zwar nur 10 Monate, die aber intensiv und ereignisreich waren. Von Anfang ihrer Konfi-Zeit hatte ich sie begleiten dürfen, ihre Kennenlern- und Orientierungsphasen beobachtet und als liebenswerte Gruppe kennengelernt. Es waren zwischen den Konfirmierten und mir enge Freundschaften und Vertrauen entstanden, wofür ich unglaublich dankbar bin und auch schätze.
Zum Glück war die Konfirmation noch nicht der Abschied, denn am Wochenende darauf fuhren wir zusammen in die Berge. Die Teamer/innen waren auch dabei und gestalteten das Programm mit. Wir spielten das Werwolfspiel von der Konfi-Nacht, machten eine Schnitzeljagd, knüpften Armbänder und sangen und tanzten zusammen. Es war superschön, vor allem dadurch, dass man sich so vertraut war. Diese Fahrt fühlte sich nicht wie Arbeit, sondern einfach nach einer gemeinsamen Freizeit an.

Segen für den Jakobsweg
Mein offizieller Abschied von der Kirchengemeinde fand am letzten Sonntag des Junis statt. Es war nämlich der letzte Gottesdienst vor der langen Sommerpause. Nun bekam ich einen Segen, eine Jakobsmuschel für meinen geplanten Jakobsweg und ein Wandertagebuch, worin schon Fotos und Briefe von Gemeindemitgliedern und der Jugend drinstanden.
Am meisten erinnere ich mich aber an das Ende. Ich begann als Segenslied „Möge die Straßen uns zusammenführen“ zu singen. Daraufhin stimmten die Gemeindemitglieder nach und nach mit ein, sodass wir am Ende alle zusammen das Lied zu Ende sangen.
Es war aber kein trauriger Abschied. Vielleicht liegt es daran, dass sich alles noch so surreal anfühlt, aber auch jetzt bin ich nicht allzu stark betroffen. Denn ich weiß, dass Barcelona nun ein Ort ist, an dem ich zurückkommen kann und auch werde.
Nach der Verabschiedung fuhr ich Anfang Juli als Leiterin auf eine Jugendfreizeit, die von Ehemaligen organisiert wurde und schon eine lange Tradition besitzt. Angemeldet sind jedes Mal deutschsprachige Schüler/innen, die für eine Woche in die Berge fahren und verschiedene Aktivitäten unternehmen.
Generell sind in Spanien Freizeiten viel üblicher, aber vor allem viel länger als in Deutschland. Da die Sommerpause für Berufstätige erst im August ist, gehen die Kinder über drei bis vier Wochen auf Freizeiten und werden dort betreut. So ähnlich war auch diese Jugendfreizeit.
Es war das erste Mal, dass ich keine Leitperson hatte, und allein Dinge umsetzten und anleiten musste. Es war sehr herausfordernd. Nicht nur die Kinder, aber auch die anderen Leiter/innen sprachen lieber spanisch als deutsch und Leitende und Teilnehmende kannten sich schon von vorherigen Fahrten, was es mir mühsamer machte, in die Gruppe, aber auch in das Konzept der Freizeit reinzukommen.
Nach paar Tagen bekam ich dann aber den Durchblick und ich brauchte nicht ständig nachfragen, wie welche Vorbereitungen gemacht werden mussten.
Die Freizeit an sich, vor allem für die Jugendlichen, war mit ihrem vollen und vielseitigen Programm wirklich ein Abenteuererlebnis. Man war mitten in der Natur mit einer festen Gemeinschaft und unternahm zusammen Dinge, die man sonst nicht mehr tat. Man lernte das Vergessene wieder schätzen lernen und ich verstand, warum die Kinder jedes Jahr zurückkamen und schließlich auch selbst zu Leiter/innen wurden.

Zum Abschluss auf den Jakobsweg
Meinen persönlichen Abschied von meinem Dienst tat ich mit dem Jakobsweg. Ich hatte es nicht beabsichtigt, die Wanderung nach Beendung meiner Arbeit zu legen, doch jetzt fand ich es ganz passend, weg von allem die Zeit für mich zu nutzen. Es tat gut, erstmal alles hinter sich zu lassen.
Während des ganzen Weges leerte sich unerwarteterweise mein Kopf, und ich spürte Ruhe und Zufriedenheit, wie schon lange nicht mehr. Es war erstaunlich, was die Natur einem geben konnte. Vor allem die Fülle ihrer stillen Präsenz war unbeschreiblich wohltuend.
Aber auch die kurzen Begegnungen waren prägend, und mit einer Person halte ich immer noch Kontakt.

Und nun befinde ich mich wieder auf dem Kirchengelände. Dieses Mal aber ganz allein. Bis Juli fanden jeden Sonntag noch Andachten statt, aber jetzt ist die Gemeinde auch in die Sommerpause gegangen. Die Stille hier ist etwas befremdend, weil immer was los war, auch wenn mal mehr oder weniger.
Beschweren tue ich mich aber nicht, denn in der Hitze und Schwüle Barcelonas kann man wirklich nichts tun (nicht mal richtig schlafen…).
Jeden Abend gieße ich also den Kirchgarten, erledige noch kleine Aufgaben im Büro und halte Stellung auf dem Kirchengelände .

Horizonterweiterung
Während meines Freiwilligendienstes durfte ich die Erfahrung machen, in verschiedenen Einrichtungen mit unterschiedlichen Altersgruppen zu arbeiten.

In der Gemeinde wurde mir die Jugend- und Seniorenarbeit nahegebracht, aber auch bei der Planung und Organisation von Festen und Veranstaltungen durfte ich mit dabei sein. In der Jugendwohngruppe wurde mir nochmal bewusster, dass Dinge, die unseren Alltag bilden, nicht für selbstverständlich genommen werden sollten. Durch Beobachtung und Vorbereitung von Aktivitäten lernte ich, was Kinder und Jugendliche brauchen, um bestimmte Kompetenzen zu fördern und ihre Persönlichkeiten zu entfalten. Auch die Auswirkungen der äußeren Einflüsse wurden sichtbar.
Im gemeinnützigen Projekt konnte ich direkten Einblick in die Wohnsituationen im „el Raval“ gewinnen. Der touristische, verblümte Blick löste sich dadurch etwas und nun fange ich an, meine Neugier und Interessen auch mal kritisch zu hinterfragen und hinter die Fassade der für Touristen/innen interessanten Attraktionen zu schauen.

Bei all den Einsatzstellen wird mir klar, dass im Hintergrund so viel mehr Arbeit, Zeit und Mühe steckt, als man es im Vordergrund sieht. Vor allem, dass einem bei dieser Arbeit die Überzeugung nicht fehlen darf. Allein durch die Verantwortung, die mir auferlegt wurde, die nur einen kleinen Teil des Gesamten entspricht, hat sich mein Respekt vor der Stelle und den Leuten vergrößert.

Meine Zeit in einer anderen Kultur und Gesellschaft
In der Gemeinde fand ich den interkulturellen Einfluss interessant. Es werden deutsche, aber auch spanische Gewohnheiten sichtbar, wodurch ich leicht reingekommen, aber auch spanische Normalitäten erfahren durfte.
In Spanien hat mir die familiäre Atmosphäre gefallen. Es ist nichts Befremdliches, wenn man mit jemandem ein Gespräch beginnt, ohne dass man sich vorher gekannt hat oder auf irgendeiner Weise miteinander zu tun hatte. Auch wenn es nur kurze Gespräche oder Kommentare sind, ist es hin und wieder ganz nett in einer Großstadt wie Barcelona kurz aus der Anonymität rauszukommen.
Schnell konnte man jedoch bemerken, dass es zum anderen schwieriger ist, weg von oberflächlichen Gesprächen auf eine freundschaftliche Ebene zu kommen. Wenn man sich in Barcelona verabredet, geschieht es immer nie zuhause. Auch wenn man zum Essen einlädt, trifft man sich im Restaurant oder in einer Bar.
Wenn man also bei jemandem nach Hause eingeladen wird, ist es etwas ganz Besonderes. Man gehört nun zu den Engsten.
Diese Art hat es mir anfangs erschwert, Kontakt zu knüpfen, doch nun denke ich, dass die Beziehungen so eine zusätzliche Tiefe und Intimität bekommen.

Gespaltenes Spanien
Was mich zum Nachdenken gebracht hat, ist das doch recht gespaltene Spanien. Spanien hat 17 autonome Gemeinschaften, „Comunidades autónomas“, die ihre eigenen Verwaltungen haben. Deutlich wird es vor allem an den Sprachen. Katalonien ist auch eins der autonomen Regionen und überall wird spürbar, wie wichtig ihnen ihre eigene Sprache und Tradition sind. An katalanischen Schulen wird deutlich mehr katalanisch unterrichtet als das castellano (für uns das „Spanisch“) und die eigenen Feste werden groß gefeiert. Der Versuch, in einheimische Gruppen reinzukommen, ist aufgrund der Sprache meines Empfindens etwas mühsamer.
Auch hängen überall die „Senyera“ (katalonische Flagge) und auch nicht wenig die „Estelade“ (Flagge der Nationalisten).

Auf dem Jakobsweg befand ich mich in Galizien, auch einer der 17 autonomen Gemeinschaften, und verspürte ebenfalls eine ähnliche Stimmung.
In Barcelona fällt einem auch auf, dass der Stadt das Ansprechen des Themas „Bürgerkrieg“ und die „Franco-Diktatur“ wichtig ist und den Touristen ebenfalls nahebringen möchte. Es gibt an vielen Orten Infotafeln und Museen, die informativ über die geschichtlichen Geschehnisse aufklären. Da ich aber zum Großteil in meiner deutschsprachigen Einsatzstelle gearbeitet habe, hatte ich keinen direkten Austausch mit bestimmten politischen Einstellungen.

Ich packe meinen Koffer und nehme mit…
Das Jahr würde ich als kleine Achterbahnfahrt beschreiben, denn ihr wisst, es gab Hoch- und Tiefpunkte.
Wie ich schon oft in meinen Berichten erzählt habe, konnte ich mich besser kennenlernen. Ich habe positive als auch negative Seiten kennengelernt, die ich noch gar nicht kannte, weil ich bestimmte Situationen noch nicht erlebt hatte.
Mir wurden meine Interessen und Vorlieben, aber vor allem meine Grenzen bewusst. Ich könnte meinen, dass ich nun weiß, was ich für meinen weiteren Weg möchte und was mir wichtig ist. Z.B., dass ich recht gut für mich allein sein kann und es genieße, aber vor allem auch brauche, Zeit für mich zu haben. Ich würde stillere und ruhigere Orte präferieren, aber auch nicht nein zum Trubel und Aktiven sagen, weil ich mich doch wieder nach ihnen sehne.
Die Selbstständigkeit muss ich natürlich auch erwähnen. Selbst wenn man es nicht sein will, geht es nicht anders, als für sich selbst zu sorgen, wenn man beginnt, allein den eigenen Haushalt erledigen zu müssen. Automatisch stellt man Wochenpläne auf, sammelt Ideen und unternimmt Vorbereitungen.
Prioritäten Einhalten und das Ablehnen muss ich aber noch üben ;)

Der Freiwilligendienst
Meiner Meinung nach bietet der Freiwilligendienst die beste Möglichkeit, die Zeit zu nutzten, um sich zu bereichern und neue Perspektiven zu gewinnen, sich zu entfalten und sich weiterzuentwickeln. Mein Horizont wurde auf jeden Fall erweitert, denn ich habe neue Impulse und Inspirationen bekommen und mein Interesse an ehrenamtliche Arbeit wurde geweckt.
Anfangs dachte ich, wenn ich was beitragen möchte, muss ich selbst „jemand“ werden und „Großes“ tun, weshalb ich mich auch mal gescheut habe.
Doch mir wird klar, dass das nicht stimmt. Um Dinge zu verändern, muss man nicht direkt an das Große denken. Im Umfeld gibt es genug Möglichkeiten aktiv zu werden. Vielleicht zu Beginn sogar bei sich selbst anfangen und reflektierter, bewusster auf Dinge achten.

Ende und Anfang
Manchmal scheint alles wie ein Fiebertraum und ich frage mich, wie es sein wird, zurück in Deutschland zu sein, einen ganz anderen Alltag zu führen und neuen Tagesgewohnheiten nachzugehen. Werde ich „Zuhause“ Neues entdecken können, wo ich jetzt neue Eindrücke mitbringe?
Das eine steht klar, es wird auf jeden Fall spannend werden! Die Aufregung und Vorfreude machen sich in mir breit.
Lustigerweise muss ich an den Anfang meines Freiwilligendienstes denken, wo ich mit ähnlichen Empfindungen den ersten Schritt ins Ungewisse gewagt habe.
Es fühlt sich gut an, zu gehen. Ich fühle mich bereit für die nächsten Schritte. Natürlich ist es schade, dass ich einen so vertraut gewordenen Ort verlasse. Aber das Aufgebaute bleibt und mein Koffer voller Erinnerungen und Erfahrungen kommen mit mir mit.

Dankeschön
Vielen Dank an Euch, Ihr, die meine ersten Schritte meines neuen Kapitels begleitet habt! Mein Bericht endet zwar hier, aber mein Weg geht weiter!
Wir sehen uns bald, aber dann in Deutschland!
¡Adiós! Hasta pronto…
Eure Yu-Jin

 


2021 bis 2022 war Marie Fischer Stipendiatin inTorre Pellice und ist dort am Collegio Valdese zur Schule gegangen. Sie hat einen umfangreiche Blog mit Gästebuch hinterlassen-

Unser Freiwilligendienst

Das GAW entsendet jährlich im Sommer sozial engagierte und entwicklungspolitisch interessierte junge Menschen zu einem freiwilligen Dienst in soziale Projekte unserer Partnerkirchen und deren Gemeinden. Die Dauer des Dienstes beträgt zwölf Monate. Das Mindestalter der Freiwilligen beträgt 18 Jahre, außerdem werden eine abgeschlossene Schul- und/oder eine Berufsausbildung vorausgesetzt.

Einsatzfelder

Kindertagesstätten, Jugendarbeit, Schulen und Schulprojekte, Freizeitprojekte, Camps,  Erwachsenenbildung, Tätigkeiten in Seniorenheimen, Arbeit mit Flüchtlingen, kirchliche Einsatzfeldern, Tätigkeiten mit Menschen mit Behinderungen

Einsatzländer

2023/24: Argentinien, Brasilien, Paraguay, Portugal, Rumänien, Spanien

Cambio de perspectiva – Perspektivenwechsel. GAW-Freiwillige helfen in diakonischen Projekten und lernen auch selbst viel (aus dem Magazin "Evangelisch weltweit" 3/2023)

Kontakt

Für die Auswahl und Begleitung der Freiwilligen ist das GAW Württemberg verantwortlich. Bewerbungen aus anderen Bundesländern und Landeskirchen sind möglich und erwünscht.

Gustav-Adolf-Werk Württemberg e.V.
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Tel.: 0711. 90 11 89-14
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Freiwilligendienst des GAW Rheinland

Das GAW Rheinland entsendet jährlich einen Freiwilligen oder eine Freiwillige aus dem Rheinland nach Argentinien, zur Mitarbeit im Altersheim der Evangelischen Kirchengemeinde San Antonio. Weitere Infos: www.gaw-rheinland.de