Polen: Eklat am Ende des Jubiläumsjahres der Reformation

Am 14. Dezember 2017 stand in der ersten Kammer des polnischen Parlaments, dem Sejm, eine Resolution zur Würdigung des Beitrags polnischer Protestanten in der Geschichte des Landes auf der Tagesordnung. Eine ähnliche Resolution hatte die zweite Kammer des polnischen Parlaments, der Senat, im Februar 2017 unter heftigen Diskussionen und mit einer sehr knappen Mehrheit verabschiedet, nachdem die Würdigung der Reformation selbst gestrichen worden war.

Den Beschlussentwurf zum Gedenken an 500 Jahre Reformation für den Sejm hatten Ende Oktober 2017 Vertreter der Parteien Nowoczesna und PSL eingebracht. Der Entwurf bekam die Unterstützung des Seniorenkonvents und wurde durch Sejmmarschall Marek Kuchciński vorgestellt. Unter anderem hieß es darin, dass „der Sejm der Republik Polen im Jubiläumsjahr von 500 Jahren Reformation eine Bewegung würdigen will, die entscheidenden Einfluss auf das religiöse und kulturelle Antlitz Europas hatte, dessen integraler Bestandteil die Rzeczypospolita war und ist“. Es wurde auch daran erinnert, dass „die Rzeczypospolita zu den tolerantesten Staaten in Europa gehörte und Bürger verschiedener Nationalitäten, Religionen und Kulturen vereinte.“ Das Jubiläumsjahr sei „eine hervorragende Gelegenheit, polnischen Protestanten Wertschätzung und Anerkennung entgegenzubringen für ihren Beitrag zur Entwicklung unseres Staates und besonders seiner Kultur, Sprache und Tradition.“

Eine Abgeordnete der Republikanischen Partei hat die Annahme des Beschlussentwurfs per Akklamation im Sejm verhindert. Als Katholikin sei sie der Meinung, dass ein fröhliches Feiern von Ereignissen, die die Kirche gespalten haben, keine gute Idee sei. Die Beschlussvorlage wurde mit einer Mehrheit von 232 zu 193 Stimmen abgelehnt und in die Kultur- und Medienkommission des Sejms überwiesen. Dieselbe Kommission hatte jedoch schon im Frühjahr geweigert, einen Vorschlag zu beraten, wonach das Jahr 2017 zum „Jahr der Reformation“ erklärt werden sollte.

Am 15. Dezember versammelten sich die Konsistorien der lutherischen, reformierten und methodistischen Kirche zu einer gemeinsamen Sitzung und verabschiedeten einstimmig einen offenen Brief. Darin baten sie, die im Sejm eingebrachten Anträge zum Gedenken des 500-jährigen Reformationsjubiläums zurückzuziehen: „Wir wollen nicht, dass über das Erbe der Reformation im Sejm der Republik Polen auf solche Weise diskutiert wird!“ Die Bischöfe der drei Kirchen sprachen in dem Brief auch ihren Dank an den Präsidenten Andrzej Duda, den Senat der Republik Polen, an die Vertreter der römisch-katholischen Kirche und anderer christlicher Kirchen sowie an politische Vertreter von Wojewodschaften und Selbstverwaltungen u.a. aus, die auf vielfältige Weise ihre Wertschätzung gegenüber dem 500-jährigen Reformationsjubiläum zum Ausdruck gebracht hatten.

Die Diskussionen im Senat sowie die Ablehnung der Würdigung durch den Sejm zeigen deutlich, auf wie viel Unkenntnis und Intoleranz die Protestanten in Polen oftmals noch stoßen. Die Kirchenleitung der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen bedauert, dass sich das polnische Parlament nicht dazu durchringen konnte, Protestanten für ihren Beitrag für Kultur, Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft sowie zur Schutz der Unabhängigkeit des Landes seine Anerkennung auszudrücken.

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