Kolumbien: Aufruf zur solidarischen Lastenverteilung und zum Dialog

Seit mehreren Wochen gibt es in Kolumbien Demonstrationen, Plünderungen und Übergriffe der Polizei, bei denen bisher fast 30 Menschen verstorben sind. Die Unruhen begannen mit Protesten gegen eine Steuerreform. Die Reform, die vor allem ärmere Menschen und die Mittelschicht betraf, wurde inzwischen zurückgezogen, die Proteste gegen die Regierung gehen jedoch weiter.

In ihrem Kommuniqué vom 8. Mai 2021 brachte die Evangelisch-Lutherische Kirche in Kolumbien (IELCO) ihre tiefe Besorgnis über die Ereignisse zum Ausdruck. Die IELCO sei zwar eine kleine Minderheitskirche, doch die lutherische Identität bedeute auch, durch Wort und Tat in der Gesellschaft aktiv zu sein. „Wir fordern die Regierung von Präsident Iván Duque Márquez auf, den Schutz des Lebens und das Recht auf friedliche soziale Proteste zu gewährleisten. Das kolumbianische Volk verdient es, von seinen Institutionen geschützt statt verletzt zu werden.“ Die Regierung wird aufgefordert, den verschiedenen sozialen Bewegungen Gehör zu schenken, die auf der Straße Veränderungen fordern.

In ihrem Kommuniqué äußert die IELCO Verständnis dafür, dass die Regierung dringend finanzielle Mittel aufbringen muss, um eine Verschlimmerung des Haushaltsdefizits zu vermeiden, gleichzeitig für die Millionen am stärksten von der Pandemie betroffenen Familien ein Grundeinkommen zu garantieren und sich um andere Ausgaben im Gesundheits- und Bildungswesen zu kümmern. Zu hinterfragen sei jedoch, ob die Einnahmen dafür durch Maßnahmen generiert werden müssen, die vor allem arme Menschen und die Mittelschicht betreffen: „Dies vertieft nur gefährlich die soziale Kluft, erhöht die Unzufriedenheit und heizt Proteste und sogar Gewalt an. Stattdessen schlagen wir vor, nach dem Prinzip der Solidarität und der sozialen Gerechtigkeit die Steuersätze auf Einkommen, Dividenden und Vermögen der Reichsten zu erhöhen und die Steuerbefreiungen für große Wirtschaftsgruppen abzubauen.“

Zugleich ruft die Kirche zum Gebet und zur Begleitung derer auf, die wegen der Unruhen leiden oder trauern.

Bischof Atahualpa Hernández zeigt sich beeindruckt, dass alle wichtigen kirchlichen Gremien es angesichts der schwierigen Lage geschafft haben, erstmalig ein gemeinsames Kommuniqué zu verabschieden.

Die Geistlichen der IELCO betonen in einer weiteren Stellungnahme die Wichtigkeit eines konstruktiven und respektvollen gesellschaftlichen Dialogs. Auch die lutherischen Gemeinden selbst sollten Raum für den Dialog über die derzeitige Situation im Land schaffen: „Wir müssen gemeinsam über den Zustand unserer Gesellschaft reden: über das Gesundheits- und Bildungssystem, über die Armut im Land und das Verschwindenlassen und Töten von Menschenrechtsaktivisten, über die Gehaltsstruktur in der öffentlichen Verwaltung u.v.m. Eine Analyse dessen schafft Bewusstsein dafür, warum es zu den aktuellen Protesten kam.“

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