Italien: Theologe Paolo Ricca verstorben

Professor Paolo Ricca ist am 14. August im Alter von 88 Jahren in Rom verstorben. Er war Pfarrer der Waldenserkirche und ein bedeutender italienischer evangelischer Theologe.

Ricca wurde in Torre Pellice am 19. Januar 1936 geboren. Nach dem Abitur 1954 in Florenz studierte er Theologie an der Theologischen Fakultät der Waldenser in Rom (1954-58), in den USA (1958-59) und in Basel (1959-61). In Basel promovierte er mit einer von Oscar Cullmann betreuten Arbeit über die Eschatologie des vierten Evangeliums.

1962 wurde Ricca zum Pfarrer der Waldenserkirche ordiniert und leitete die Waldensergemeinden in Forano und Turin. Im Auftrag des Reformierten Weltbundes verfolgte er das Zweite Vatikanische Konzil. Von 1976 bis 2002 lehrte er Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Waldenserkirche in Rom.

15 Jahre lang war er Mitglied der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen mit Sitz in Genf.

Er war einer der letzte lebenden Mitautoren der Leuenberger Konkordie von 1973.

Zwei Amtszeiten lang war Ricca Präsident der Bibelgesellschaft in Italien. Im Februar 1999 erhielt er die Ehrendoktorwürde in Theologie von der Universität Heidelberg und 2008 den Predigtpreis in der Kategorie Lebenswerk vom Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG. Er war Mitinitiator und Mitherausgeber von Luthers Werken in italiensicher Sprache.

Die Europäische Evangelische Versammlung 1992 war für ihn nach den Umbrüchen in Europa sehr wichtig. Hier spielte er eine ausgleichende und versöhnende Rolle. Wilhelm Hüffmeier, Ehrenpräsident des GAW, erinnert sich: „Es wurde damals sehr viel auf Deutsch gesprochen zum Ärger der französischen Delegation. Ich bat dann als Mitorganisator Paolo Ricca, seine Andacht in französischer Sprache zu halten. Das veränderte die Stimmung abrupt. Ihm war das gemeinsame Haus Europa‘ ein Herzensanliegen. – Mit Paolo Ricca hatten wir eine herausragende theologische Persönlichkeit unter uns, der großen Respekt genoss und in der italienischen Öffentlichkeit als Redner und Prediger einen Namen hatte.“

Ricca war ein gern gesehener Gast auf vielen GAW-Jahresfesten und hat diese durch seine Beiträge geprägt. Ihm war es wichtig, die „evangelische Farbe“ des Evangeliums zu stärken. So sagte er auf einem GAW-Fest: „Das Evangelische ist ein Stück der Antwort auf das, was christlich ist. Dieser Teil sollte auch alle interessieren, denen das Christentum am Herzen liegt. Gerade auf den Evangelischen Kirchentagen kann man etwas von der Buntheit und Vielfalt des Evangelischen mitbekommen. Hier hält man Unterschiede aus.“

Von besonderer Aktualität ist heute seine Sicht auf die Rolle kleiner Diasporakirchen: „Wir Waldenser sind seit acht Jahrhunderten eine Minderheit. Auch Gott ist eine Minderheit unter den Göttern, Israel eine Minderheit unter den Völkern. Jesus hat nie über Mehrheit oder Minderheit gesprochen. Zwölf waren genug, um die Welt zu evangelisieren, 5.000 nicht zu viele, um ihnen Brot und Fisch zu geben. Entscheidend ist nicht, ob eine Kirche oder Konfession Minderheit oder Mehrheit ist, sondern wie sie eine Minderheit oder Mehrheit ist. Es lohnt, evangelisch zu sein. Das ist das, was große, wichtige Kirchen von kleinen Kirchen in der Diaspora lernen können.“

Interview mit Paolo Ricca (2012)

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