Estland: Erzbischof kritisiert Marginalisierung des lutherischen Erbes im Jahr des Buches

Am 30. Januar 2025 wurde in Estland feierlich das Jahr des estnischen Buches eröffnet, das bis zum 14. März 2026 dauern soll. Anlässlich des 500. Jahrestags des ersten estnischen Buches sind vielfältige Veranstaltungen geplant. Der lutherische Hintergrund des ersten estnischsprachigen Druckwerks aus dem Jahr 1525 wird allerdings marginalisiert.

Auf dieses Problem verwies Urmas Viilma, Erzbischof der Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (EELK), in seinem Vortrag vor der Pfarrversammlung der EELK.

„Auf der offiziellen Website des Jahres des Buches ist es nicht möglich zu erfahren, welches das erste estnischsprachige Druckwerk war, dessen Veröffentlichung als Ausgangspunkt für die Berechnung eines halben Jahrtausends genommen wurde. Unter der Rubrik Geschichte wird lediglich erwähnt, dass im lateinischen Protokollbuch des Domkapitels des Lübecker Domdekans Johannes Brandes Mitteilungen über bisher unbekannte livländische, lettische und estnische Druckwerke aus dem Jahr 1525 gefunden wurden. Das ist alles.“ Viilma berichtete auch, dass im Unterschied zu Feierlichkeiten vor 25 Jahren diesmal keine Vertreter der Kirche in die Vorbereitung des Jubiläumsjahres oder in die Durchführung der Eröffnungsveranstaltungen einbezogen oder zumindest zur Teilnahme eingeladen wurden.

Der vom Erzbischof erwähnte Eintrag im Protokollbuch des Lübecker Domdekans beschreibt einen Vorfall im katholischen Lübeck im Herbst 1525. In einem dortigen Gasthaus wurde ein Fass mit lutherischen Büchern sowie estnischen, lettischen und livischen Messordnungen beschlagnahmt, die per Schiff nach Riga geschickt werden sollten. Die katholische Lübecker Stadtregierung wollte verhindern, dass die Schriften „das Volk, das im Christentum noch nicht bewandert ist“ anstecken. Die Bücher wurden vernichtet und es wurde bisher nicht einmal ein Fragment der Druckwerke gefunden. Unter Historikern ist es jedoch eine anerkannte Tatsache, dass es sich um lutherische Bücher und estnische, lettische und livische Messtexte handelte.

Estland ist eines der am stärksten säkularisierten Länder der Welt. Laut dem Zensus aus dem Jahr 2022 bekannten sich in dem einst lutherisch geprägten Land 8 % der Menschen zum Luthertum (und 16 % zur Orthodoxie). Das mag ein Grund sein, warum die kirchliche Herkunft des ersten estnischsprachigen Buches von den Organisatoren des Jubiläums in den Hintergrund gerückt wird.

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