Armenien: "Es ist eine sehr gefährliche Situation für uns."

Hovhannes Hovsepyan im Gespräch mit Enno Haaks

Sorge um die Folgen des neuen armenisch-aserbaidschanischen Konflikts

In der Nacht vom 12. auf den 13. September 2022 sind zwischen Aserbaidschan und Armenien im Kaukasus schwere Kämpfe ausgebrochen.

„Es gibt inzwischen 49 Tote. Erneut suchen Flüchtlinge Schutz, auch in unseren evangelischen Gemeinden“, sagte Hovhannes Hovsepyan, Pfarrer der Armenischen Evangelischen Kirche in Jerewan und Assistent der Kirchenleitung, in einem Telefonat mit Pfarrer Enno Haaks, Generalsekretär des GAW. „Aserbeidschan greift unser Land an. Bergkarabach ist derzeit nicht direkt betroffen, aber wir können unsere Gemeinde in Stepanakert nicht erreichen. Der Weg ist abgeschnitten. Die russische Armee, die den 2020 ausgehandelten Waffenstilstand absichern soll, ist geschwächt und reagiert nicht.“ Aserbeidschan wiederum gibt Armenien die Schuld an der erneuten Konfrontation. Der Konflikt der beiden ehemaligen Sowjetrepubliken wegen des Gebiets Arzach/Bergkarabach besteht seit Jahrzehnten, der letzte Krieg um das Gebiet fand vor zwei Jahren statt. Trotz einer von Russland vermittelten Waffenstillstandsvereinbarung gab es seitdem immer wieder bewaffnete Zwischenfälle an der Grenze. Heute Nacht jedoch wurden nach armenischen Angaben Stellungen auf dem Staatsgebiet Armeniens angegriffen. „Von den betroffenen Städten gibt es evangelische Gemeinden in Goris, Kapan und Vardenis“, sagt Hovsepyan. Zudem besteht in dem ebenfalls angegriffenen Urlaubsort Dschermuk ein evangelisches Freizeitzentrum.

„Wir haben Angst vor einer Ausweitung der Kämpfe. Auch sorgen wir uns darum, dass wegen des Krieges in der Ukraine die Geschehnisse in Armenien wenig Beachtung finden. Das ist eine sehr gefährliche Situation für uns“, so Hovsepyan.

Zwischen der Armenischen Evangelischen Kirche und dem GAW besteht keine offizielle Partnerschaft. Das GAW hat jedoch im Rahmen seines Hilfsfonds für bedrängte und verfolgte Christen nach dem Krieg um Bergkarabach die Versorgung von Flüchtlingen in den evangelischen Gemeinden und die Wiederherstellung der beschädigten evangelischen Kirche in Stepanakert unterstützt.

Die Armenische Evangelische Kirche

Die Armenische Evangelische Kirche (ECA) wurde 1846 gegründet und ging aus der pietistisch geprägten Orientmission des 19. Jahrhunderts im Osmanischen Reich hervor. Die Kirche ist Teil der Evangelischen Armenischen Weltgemeinschaft.

Die ECA hat 23 meist kleine Gemeinden in den verschiedenen Teilen Armeniens. Ca. sechs Gemeinden haben eigene Gebäude, andere treffen sich in Wohnungen oder anderen Räumlichkeiten. Darüber hinaus gibt es sieben Zentren für die christliche Erziehung (Bibelstudien, christliche Programme für Kinder usw.) Die ECA hat vierzehn ordinierte Pastoren, zehn Prädikanten, fünf Laienleitende, und zwei Kandidaten, die sich in Beirut auf den Pfarrdienst vorbereiten.

Die ECA hat laut eigener Aussage ca. 1450 Mitglieder. Es gibt darüber hinaus noch zahlreiche „Sympathisanten“, die am Gemeindeleben teilnehmen. Durch die Kinder- und Jugendprogramme erreicht die Kirche mehr Menschen als sie Mitglieder hat.

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