Rückblick auf das 3. Witzenhäuser Frauenmahl

Die Organisatorinnen

Zum „3. Witzenhäuser Frauenmahl“ hatten der Evangelische Kirchenkreis Werra-Meißner und die Frauenarbeit des Gustav-Adolf-Werks am 14. Mai 2022 gemeinsam auf die Burg Ludwigstein eingeladen. „Frauen in systemrelevanten Berufen – Reformation retro?!“ lautete der Titel der Veranstaltung. Zu hören waren Tischreden, die sich Fragen über die aktuelle Rolle von Frauen in Kirche und Gesellschaft widmeten: Hat die Pandemie die allerorten zu beobachtende Rückwärtsentwicklung von reformatorischen und emanzipatori­schen Errungenschaften verschärft? Inwiefern hat die Coronapandemie als Brennglas gewirkt? Was bedeutet „Systemrelevanz“? – Ausgehend von diesen Fragestellungen gaben die Tischrednerinnen Einblicke in ihre persönli­chen, kontextbezogenen Erfahrungen, Beobachtungen und Reflexionen. Bei festlicher Tafel­musik und köstlichen Speisen aus regionalen Produkten kamen die rund 45 Teilnehmerinnen über die Impulse der Rednerinnen ins Gespräch. Inge Rühl, Vorsitzende der Frauenarbeit im Gustav-Adolf-Werk, und Ulrike Laakmann, Dekanin des Kirchenkreises Werra-Meißner, führten durch den Abend.

Dr. Beate Hofmann, Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, überschrieb ihre Tischrede mit dem Titel „homeoffice oder home – Retraditionalisierung ?“ und fragte, was wir nun aus der Krise lernen können. Im Hinblick auf das Stichwort „Systemrelevanz“ und die Frage, welche Rolle Frauen in den verschiedenen Beziehungsnetzen während der Pande­mie eingenommen haben, gab Bischöfin Dr. Hofmann zu bedenken, dass wir als Gesellschaft neu über den Wert von Sorgearbeit nachdenken und Sorgearbeit auch anders organisieren müssten. Systemrelevanz dürfe nicht nur beklatscht werden. Sie müsse auch so organisiert werden, dass Menschen – und vor allem Frauen – nicht am Familienspagat zerbrechen. Schließlich betonte die Bischöfin, dass es sich bei der Frage nach der Relevanz von Sorgearbeit um ein Thema handle, dass die ganze Gesellschaft angeht und forderte: „Damit sich etwas ändert, müssen wir den Mut haben, diese Fragen als politische Fragen zu erkennen, nicht nur als persönliches Problem. Wir müssen miteinander Sorgearbeit als Basis unseres Zusammen­lebens erkennen und organisieren, alle miteinander, nicht nur wir Frauen. Das Persönliche ist und bleibt politisch, auch hier.“

Als internationaler Gast des Gustav-Adolf-Werks war Cordelia Vitiello von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Italien geladen. Die dramatische Anfangszeit der Pandemie hat sie ebenso als Präsidentin des Evangelischen Krankenhauses in Neapel wie auch ganz persönlich erlebt. „Ich war als eine der ersten mit Covid infiziert, ich hatte Angst vor dem Tod“, schildert Vitiello zu Beginn ihrer Tischrede. Das habe ihre persönliche Sicht auf die Zeit geprägt, aber auch, wie sie auf die Schicksale anderer geschaut habe. Im neapolitanischen Krankenhaus habe sich gezeigt, dass vor allem Frauen einer erheblichen Belastungsprobe aus­gesetzt waren, die sie ganz konkret benachteiligt habe. Im Hinblick auf berufliche und familiäre Sorgearbeit von Frauen, resümierte Vitiello, sei offengelegt worden, was sonst im Verborgenen abliefe. Dadurch sei viel sichtbar geworden. Man habe die Rolle der Frau, sagte Vitiello, dadurch auch aufgewertet. Um all das nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, hat das Evangelische Krankenhaus die Erfahrungen dieser Zeit dokumentiert. Die Dokumentation, die das Kranken­haus noch in diesem Jahr veröffentlicht will, soll auch allen gewidmet sein, die sich in dieser schweren Zeit solidarisch gezeigt haben. Als Minderheitskirche in Italien sei das weltweite evangelische Netzwerk finanziell und spirituell überlebenswichtig gewesen. „In der dunkelsten Zeit“, so Vitiello, „erlebten wir auch die größte Kraft von geschwisterlicher Soli­darität, Barmherzigkeit und Gottesliebe.“

Aus Einrichtungen der Altenhilfe berichtet die Leiterin Charlotte Bellin aus Kassel. Als zu Beginn der Pandemie plötzlich die Alten- und Pflegeheime im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen und für Mitarbeitende in der Pflege geklatscht und gesungen wurde, habe sie sich gefragt, ob die Langzeitpflege nun endlich die gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Aner­kennung erhalte, die sie verdiene. Nach zwei Jahren sei man nach vielen Diskussionen müde geworden, habe aber auch gelernt neu hinzuschauen und zu differenzieren. So sei trotz vieler Anstrengungen deutlich geworden, dass in den Alten- und Pflegeheimen durch kreative Ideen viel möglich sei. Auf jeden Fall habe die Pandemie dabei geholfen, so Bellin, sich auf das Wesentliche zu besinnen und zu erfahren, dass Gott unglaubliche Widerstands­kraft gibt. Bei der Frage, ob die Doppelbelastung in der Pflege vor allem ein weibliches Prob­lem sei, gab Bellin zu bedenken, dass der Anteil der pflegenden Männer in den jüngeren Generationen gewachsen sei und auch dort ein differenzierendes Hinschauen nötig sei.

Beim „Interview auf dem Sofa“ wurden Karina Kördel und Sarah-Marie Niggemann, Leiterinnen in einer Evangelischen Kindertagesstätte bzw. eines Senioren­zentrums, zu ihren Alltagserfahrungen in Zeiten der Coronapandemie befragt. Beide gaben dabei einen ehrlichen und interessanten Einblick in ihre jeweiligen Bereiche.

Das festliche vegetarische Drei-Gänge-Menü mit regionalen Speisen des Bistro Amélie von „Werraland Lebenswelten e.V.“ in Eschwege, die einfühlsame und stimmungsvolle musika­li­sche Gestaltung von Regine Brunke und Regine Kändler an Cello und Violine sowie der Auftritt von Clownin Frida rundeten das Frauenmahl zu einer sehr gelungenen Veranstaltung ab.

Elisa Schneider
Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit im GAW Kurhessen-Waldeck

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