„Klein sein ist schön – Slowenien ist beides“

Frauengruppe mit Bischof Filo vor Primus-Truber-Kirche in Ljubljana Foto: Ulrike Combe von Nathusius

Slowenien gilt als ein sehr gastfreundliches Land. Während einer siebentägigen Studienreise (6. bis 12. Oktober 2018) durch eines der kleinsten Länder der Europäischen Union können 22 Frauen aus Kurhessen-Waldeck die sprichwörtliche Gastfreundschaft auf unterschiedliche Weise erleben. Schon bei der Ankunft in Ljubljana gibt es erste Erfahrungen dazu. Corinna Harbig, deutsche Pfarrerin und seit Jahrzehnten in Slowenien lebend (unsere Reisebegleiterin für die nächsten Tage) heißt uns im strömenden Regen herzlich willkommen. Nach der langen Anreise wirken Worte und Gastgeschenke wie Balsam. Gastfreundschaft ist so etwas wie ein roter Faden, der uns durch Slowenien begleitet: von der Adriaküste über die Hauptstadt Ljubljana bis in den Nordosten dieses kleinen und wunder-schönen Landes. Gelebte Gastfreundschaft überrascht uns in den evangelischen Gemeinden in der Prekmurje (Deutsch: Übermurgebiet). An langen Tischreihen, liebevoll gedeckt, genießen wir köst-liche Speisen nach regionalen Rezepten. Aber es sind nicht nur die reich gefüllten Teller, die wohl-tuend sind. Es sind die Gesten und herzlichen Worte, die auch ohne slowenische Sprachkenntnisse verstanden werden. Außerdem sprechen viele Frauen deutsch. Wie ist das zu erklären? Viele Frauen aus der Prekmurje waren Gastarbeiterinnen in Österreich. Als Rentnerinnen kehren sie in die alte Heimat zurück, während ihre Kinder häufig in Österreich blieben. Viele Frauen aus der Prekmurje teilen dieses Schicksal. Die Verbundenheit zur Heimat spiegelt sich auch in der Zugehörigkeit zur Evangelischen Kirche A.B. in Slowenien. Tatkräftig bringen sich Frauen in den Gemeinden ein. Für Pfarrerinnen und Pfarrer ist das ein wunderbares Potential. Davon kann Simona Prosic Filip, Frauen-pfarrerin der Evangelischen Kirche A. B. in der Republik Slowenien, berichten. 2012 hat die Kirche einen Frauenverband gegründet, um damit staatliche Förderungen in Anspruch nehmen zu können. Simona, so wird sie von den meisten Frauen genannt, hat große Pläne. Sie bietet Seminare und Bibelarbeiten an. Das Interesse der Frauen ist sehr groß, bis zu 150 Frauen nehmen an den Veran-staltungen teil. Gespannt hören wir Frauen aus Kurhessen-Waldeck zu, als Simona Prosic Filip in ihrer schönen Kirche in Gornji Slaveci ihren Frauenverein Evangelicanka vorstellt. Im Jahr 2017 wurde erstmals ein Seminar für evangelische Frauen aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens ange-boten: Versöhnung nach den Balkankriegen. Ein weiteres Begegnungsseminar ist für 2019 geplant. Die Teilnehmerinnen möchten ihre Beziehungen festigen und sich noch besser kennenlernen. Die Frauenarbeit im Gustav-Adolf-Werk wird dieses Seminar finanziell unterstützen.

Eine weitere Station ist die evangelische Gemeinde in Krizevci in der Prekmurje. Pfarrer Mitja Andrejek empfängt die Reisegruppe aus Kurhessen-Waldeck in der großen Kirche. Im Gemeinde-haus laden Frauen der Gemeinde zu regionalen Spezialitäten auf festlich gedeckten Tischen ein. Auch hier ist gelebte Gastfreundschaft spürbar. Im Gespräch mit Pfarrer Mitja Andrejek erfahren wir: ein Jahr war Mitja Andrejek Stipendiat des GAW in Leipzig, dort konnte er an der Universität theo-logische Studien fortsetzen und die Möglichkeit nutzen, evangelische Gemeinden in Deutschland kennenzulernen. Seit 2016 betreut Pfarrer Andrejek die 900 Gemeindeglieder der Gemeinde, die auf 16 Dörfer verteilt sind. Über ihn laufen die Kontakte zur Evangelischen Humanitären Organisation (EHO) Podpornica, sozusagen dem Diakonischen Werk der evangelischen Kirche Sloweniens. Die EHO Podpornica hilft Senioren, Kindern und Jugendlichen und allen, die praktische oder finanzielle Unterstützung brauchen. Mitja Andrejek vermittelt den kostenlosen Verleih von Pflegebetten oder „Essen auf Rädern". Die Pflegebetten waren zuvor in deutschen Krankenhäusern oder Sozialstationen im Einsatz. Die Frauenarbeit im GAW unterstützt den Transport, sowie Instandsetzung, Lagerung und Verteilung finanziell. Welch große Hilfe der Einsatz von Pflegebetten für Patienten und Pflegende – in der Mehrzahl Frauen – bedeutet, schildert der junge Gemeindepfarrer.

Auf unserer Rundreise ist Maribor ein weiterer Anlaufpunkt. Dort lernen wir Pfarrerin Vladimira Mesaric kennen. Vladimira Mesaric und Simona Prosic Filip sind die ersten ordinierten Pfarrerinnen der Evangelischen Kirche A.B. in Slowenien. Bei unserem Eintreffen ist Vladimira Mesaric gerade vom Dienst als Militärseelsorgerin aus der Kaserne zurückgekommen. Schnell werden im Pfarrhof ein Tisch mit erfrischenden Getränken und Gebäck sowie ein paar Bänke aufgebaut. Und schon können wir uns in einen sehr lebendigen Austausch vertiefen - Sprachbarrieren sind kaum bemerkbar. Ge-spannt nehmen wir die Ausführungen auf. Militärgeistliche werden vom Staat bezahlt. Die Gemeinde der Christuskirche in Maribor versieht die Pfarrerin sozusagen im Ehrenamt. Einen Schwerpunkt der Arbeit bilden die jährlichen Freizeiten für Kinder sowohl aus der Gemeinde als auch von Soldaten-familien. Diese kostenlosen Angebote sind inzwischen sehr gefragt, so dass viele Mitarbeitende gebraucht werden. Kinder ab dem vierten und Jugendliche bis zum fünfzehnten Lebensjahr können teilnehmen. Auf Unterstützung ist dieses Vorhaben allerdings angewiesen. Dafür ist das Gustav-Adolf-Werk eine ganz wichtige Adresse. Vladimira Mesaric erwähnt sehr betont die finanzielle Hilfe durch das GAW. In allen Gemeinden, die wir kennenlernen konnten, hat die Erwähnung des Gustav-Adolf-Werkes lächelnde Gesichter hervorgerufen. Dankbarkeit wird in Worte gefasst. Zu den markanten Gesichtern der evangelischen Kirche in Slowenien gehört in besonderer Weise Bischof Geza Filo. Ihn erleben wir im deutsch-slowenischen Gottesdienst in Ljubljana. Da die große „Primus Truber Kirche" gerade renoviert wird, versammeln wir uns im Gemeindehaus. Dort reihen wir uns in die Gemeinde ein. Im Anschluss an den Gottesdienst lädt uns Bischof Filo zum Kirchenkaffee ein. Jetzt haben wir Gelegenheit, Fragen zu stellen und Antworten aus berufenem Mund zu bekommen. Nur knapp ein Prozent der zwei Millionen Einwohner Sloweniens ist evangelisch. Die Evangelischen sind eine Minderheit. Die Kirche habe, obwohl sie klein ist, eine sehr gute Position im Land. Über die wechselvolle Geschichte des Protestantismus berichtet Bischof Filo. Dabei fällt immer wieder der Name Primus Truber. Slowenien würde es ohne den Reformator Primus Truber (1508 – 1586) wohl nicht geben. Er prägte den Namen „Slowenien" und war der Begründer der evangelischen Kirche in Slowenien, so erfahren wir von Bischof Filo. Überall im Land finden sich Straßen oder Plätze, die seinen Namen tragen. In der Hauptstadt steht ein großes Truber-Denkmal. Als einziges Land in Europa ist in Slowenien der 31. Oktober ein staatlicher Feiertag. Jedes Jahr findet ein politi-scher Staatsakt im Parlament statt, mit Ausnahme des vergangenen Jahres. Am Reformationstag 2017 wurde ein Gottesdienst aus der „Primus Truber Kirche" in Ljubljana vom Fernsehen übertragen. Die Evangelische Kirche A.B. in Slowenien hat knapp 10 000 Mitglieder. Die Gemeindeglieder in den 14 Gemeinden - davon liegen die meisten in der Prekmurje- werden von 6 Pfarrerinnen und 6 Pfarrern betreut.

Slowenien ist das Weltgebetstags-Land 2019! Auf dieser Reise treffen wir auch slowenische Frauen, die an der Liturgie für den Weltgebetstag (WGT) 2019 mitgearbeitet haben. Das Motto für 2019 „Kommt – alles ist bereit" ist für uns schon im Herbst 2018 durch die gelebte Gastfreundschaft erfahrbar geworden und wird beim WGT am 1. März noch einmal ganz lebendig vor Augen stehen. Jetzt im Oktober 2018 sind wir erfüllt und beeindruckt von der Gastfreundschaft und dankbar für alle Begegnungen. Ganz besonders danken wir Inge Rühl, Vorsitzende der Frauenarbeit im GAW Kurhessen-Waldeck. Ihre engagierte Vorbereitung, umsichtige Planung und gekonnte Durchführung haben auch diese Reise wieder zu einem besonderen Erlebnis werden lassen. Slowenien ist klein und schön, landschaftlich sehr vielfältig: von der Adria, bis zu den Weinbergen im Nordosten, von der Steiermark bis zur kroatischen Grenze ist es ein Land voller Überraschungen durch freundliche Mensche


Ulrike Kany
Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit im GAW Kurhessen-Waldeck

 

Weiterführende Links:
ekkw-weltgebetstag.de
ekkw.de/service/erwachsenenbildung/5566.htm



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