Europawahlen – Ein Weg, Einheit in Vielfalt zu gestalten

Der Rat der GEKE, Wien, im Februar 2019

Vom 23. bis 26. Mai 2019 finden in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Alle 5 Jahre haben die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union die Möglichkeit, durch Wahlen die Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes zu bestimmen. Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa ruft auf, an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen und den Lebensraum Europa im Sinne des eingeschlagenen Weges der Versöhnung und des friedlichen Miteinanders aktiv zu gestalten.

Europa – ein Weg der Versöhnung
Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa hat auf ihrer 8. Vollversammlung in Basel, Schweiz, im September 2018 des Endes des 1. Weltkrieges gedacht. Sie hat dabei auch daran erinnert, welches Geschenk die Versöhnung nach 1945 für die Menschen in Europa ist, die im Europarat und in der Europäischen Union politische Gestalt gewonnen hat, nachdem verheerende Kriege und nationalistische Verirrungen Europa an den Rand des Abgrunds geführt hatten. Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde die gewaltsame Trennung innerhalb Europas beendet und die Menschen Osteuropas konnten in freien Wahlen über ihre Geschicke entscheiden. „Protestantische Kirchen in Europa müssen die Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung in den verschiedenen Post-Konflikt-Gesellschaften lebendig halten, auch innerhalb der aktuellen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zustände, sofern sie als Unrecht erfahren werden. Zugleich wissen sie darum, dass Versöhnung kein idealer Zustand oder ein einmaliger Akt, sondern ein Prozess ist, der in Gang gesetzt oder aufrechterhalten werden soll. Versöhnung braucht Menschen, die zur Versöhnung bereit sind, und solche strukturellen Maßnahmen, die der Absicht der Versöhnung dienen. Der europäische Einigungsprozess wurde gerade deshalb von den evangelischen Kirchen in Europa als Friedens- und Versöhnungsgeschehen begrüßt."1

Europa – der Ort, an dem wir uns unseren Herausforderungen stellen
Die Verantwortung für die in das Europäische Parlament Gewählten wird groß sein: Das Projekt der europäischen Einigung selber steckt in einer vielfältigen Krise, die sich auch am Austritt Großbritanniens aus der EU zeigt. Der Zuwachs an „Europa-Skepsis", an europaablehnenden Stimmen oder gar die Rückkehr zu nationalistischen Wunschvorstellungen ist in vielen Gesellschaften Europas zu konstatieren.
Auf der anderen Seite sind die gemeinsamen europäischen Herausforderungen gewaltig, die auf der Hand liegend und ganz offensichtlich nicht mehr national zu bewältigen sind: der Klimawandel und die Bewahrung der Schöpfung; eine menschengerechte Politik gegenüber Flüchtlingen und Migrantinnen und Migranten; die soziale und ökonomische Spaltung in Europa, die u.a. dazu führt, dass Tausende von Menschen Arbeit und Zukunft in einem anderen Mitgliedstaat suchen und Familie und Angehörige zurücklassen; der tiefgreifende Wandel unserer Gesellschaften durch Einsatz neuer Technologien wie Digitalisierung, Automatisierung, künstlicher Intelligenz etc.; und schließlich auch die politischen Kräfteverschiebungen außerhalb Europas.

Die Verantwortlichen der zukünftigen Europapolitik werden diesen Herausforderungen mit Sachlichkeit und Fachexpertise begegnen müssen. Eine sorgfältige Analyse wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Vorgänge ist dabei grundlegend für angemessene Entscheidungen.

Europa – ein Raum für Vielfalt
Die meisten Kirchen in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa sind Minderheitskirchen, leben die Erfahrung der Diaspora.2 Sie sind sensibel gegenüber angeblichen Mehrheitsmeinungen und -überzeugungen. Sie brauchen für die Entfaltung des eigenen Glaubens einen Raum, der Unterschiedlichkeit und Vielfalt zulässt. Deshalb gilt für den politischen Raum: Gerade die Demokratie mit ihren Wahlen stellt sicher, dass Minderheiten Gehör und einen Platz im Raum politischer Diskussion und Entscheidung finden. Die Wahlen zum Europäischen Parlament stellen sicher, dass sich in Europa die Vielfalt weiter entfalten kann, Stimme hat und zugleich die Einheit und die Versöhnung mitgestaltet.

Europa – ein Lebensraum, den wir mitgestalten wollen
Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa bejaht die grundlegende Bedeutung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die Staatsform der parlamentarischen und rechtsstaatlichen Demokratie „entspricht der durch Gottes Schöpfung verliehenen Würde, Freiheit und Gleichheit aller Menschen. In ihrer Teilung, Begrenzung und gegenseitigen Kontrolle der Gewalten berücksichtigt sie die Fehlbarkeit und Sündhaftigkeit der Menschen. Rechtsstaatlich begründete Institutionen schützen und ermöglichen Freiheit jedes und jeder Einzelnen wie auch das Zusammenleben aller."3

Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa ermutigt, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen und dadurch den Kurs Europas mitzubestimmen. Es gibt viele weitere Möglichkeiten, aktiv an der Gestaltung Europas teilzunehmen, aber eben auch diese, die über die Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes für die nächsten 5 Jahre bestimmt.

 

Der Rat der GEKE, Wien, im Februar 2019

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1 Stellungnahme der 8. GEKE-Vollversammlung, Miteinander für Europa - 100 Jahre Ende des Ersten Weltkrieges: Gemeinsames Erinnern für die Zukunft, Basel, September 2018.

2 Vgl. hierzu das auf der 8. Vollversammlung der GEKE verabschiedete Studiendokument „Theologie der Diaspora".

3 Stellungnahme der 8. GEKE-Vollversammlung, Miteinander für Europa - 100 Jahre Ende des Ersten Weltkrieges: Gemeinsames Erinnern für die Zukunft, Basel, September 2018.

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