Der Begriff "Diaspora"

  • Das griechische Wort – die richtige Betonung liegt auf dem ersten oder letzten a! - bedeutet "Zerstreuung" und wird im religiösen Sinn für die Minderheitssituation einer Glaubensrichtung unter Andersgläubigen gebraucht.
  • An drei Stellen im Neuen Testament ist von den an Jesus Glaubenden "in der Zerstreuung" die Rede (Jh. 7,35; 1. Ptr. 1,1; Jak. 1,1). Darin drückt sich die frühchristliche Erfahrung aus, dass Christen in ihrer Umgebung vereinzelt oder zerstreut sind. Das kann bedeuten: von der Mehrheit übersehen, benachteiligt, ja verfolgt zu werden. Es hat manchmal aber auch die Chance, gerade besonders beachtet zu werden und wie das Salz in der Suppe zu wirken.

Wir sind Diaspora - Martin Dutzmann, Präsident des GAW

Unterschiedliche Arten der Diaspora

  • Von "religiöser Diaspora" spricht man, wenn z. B. eine christliche Minderheit in einem islamischen oder buddhistischen Land lebt. Das ist eine Situation, die oft mit Verfolgung, Bedrohung oder schweren Repressionen einhergeht, z. B. dem Verbot, Kirchen zu bauen, Pfarrer auszubilden, öffentliche Gottesdienste zu feiern oder andere Menschen einzuladen und zu gewinnen. Umgekehrt gibt es auch in christlich geprägten Ländern Diaspora anderer Religionen, die aber meist sehr tolerant behandelt wird.
  • Von "konfessioneller Diaspora" spricht man, wenn eine christliche Glaubensrichtung in der Minderheit gegenüber einer vorherrschenden (oft staatstragenden) anderen christlichen Glaubensrichtung lebt. In stark orthodox geprägten Ländern Osteuropas z. B. gibt es bis heute eine evangelische und eine katholische Diaspora, im katholisch dominierten Lateinamerika eine evangelische Diaspora und im evangelisch-lutherischen Skandinavien eine katholische Diaspora. Es ist grundsätzlich gut und wichtig, dass diese kleinen anderskonfessionellen Minderheiten existieren und sie nicht von den Mehrheitskirchen vereinnahmt werden. Das hat etwas mit dem Respekt vor den Grundrechten der Glaubensfreiheit und des Minderheitenschutzes zu tun. Damit werden auch das ökumenische Miteinander und die gegenseitige Toleranz gestärkt, weil die großen Kirchen an die kleinen denken müssen.
  • Von "doppelter Diaspora" spricht man z. B. in den stark säkularisierten Ländern Europas. In Tschechien etwa sind die Menschen, die sich überhaupt zu einem Glauben bekennen, heute in der Minderheit. Wenn dann z. B. evangelische Christen nur 1 % der Bevölkerung ausmachen gegenüber 30 % Katholiken, sind sie eine Minderheit in der Minderheit.
  • Von "innerdeutscher Diaspora" sprechen wir, wenn eine christliche Konfession innerhalb Deutschlands in der Minderheit ist. Das betrifft z. B. evangelische Christen in Oberbayern, aber auch in kleinen Regionen wie dem Eichsfeld oder in Teilen der sächsischen Oberlausitz. Das trifft aber auch besonders für Großstädte und Industrieregionen im Osten (zunehmend auch im Westen) Deutschlands zu.

(Arndt Haubold, Vorsitzender des GAW Sachsen)