Lateinamerika: „Er kennt die evangelische Welt sehr gut.“

Evangelische Stimmen zur Papstwahl

“Wir freuen uns, dass ein Lateinamerikaner zum Papst gewählt wurde“, schreibt die Generalsekretärin der Evangelischen Kirche am La Plata (Iglesia Evangélica del Río de La Plata – IERP), Pastorin Sonja Skupch zur Wahl des argentinischen Kardinals Jorge Bergoglio zum neuen Papst. „Bestimmt wird das helfen, in der römisch-katholischen Kirche einen anderen Blickwinkel zu bekommen und einen anderen Führungsstil zu finden. Man muss jedoch berücksichtigen, dass der Vatikan seinen eigenen Rhythmus und seine Jahrhunderte alten Strukturen hat.“

Der Kirchenpräsident der IERP, Pastor Carlos A. Duarte, gratuliert den Gläubigen der Römisch-Katholischen Kirche zur Wahl des neuen Papstes aus Lateinamerika: „Das ist ein Novum in der Kirchengeschichte. Wir hoffen, dass das Pontifikat des Bruders Bergoglio von Demut gekennzeichnet sein möge, und offen für den Dialog, sowohl ökumenisch, als auch interreligiös. Ebenso möge er die Aufmerksamkeit auf die Probleme vieler Menschen auf der ganzen Welt lenken, auf den Einsatz für die Menschenrechte in seinen verschiedenen Ausrichtungen. Wir sind zuversichtlich, dass ihm seine langjährige pastorale Erfahrung in Argentinien helfen wird, offen zu sein für diejenige, die verfolgt und ausgegrenzt werden – egal in welcher Weise.“

Einerseits wird Bergoglio in Argentinien vorgeworfen, er habe in der Zeit der Militärdiktatur nicht die Stimme gegen Menschenrechtsverletzungen erhoben. Vielfach wird jedoch betont, dass er als Bischof hunderten Menschen dabei geholfen habe, Haft und Tod zu entfliehen. Generalsekretärin der IERP, Sonja Skupch, sieht da Unklarheiten, die noch aufgearbeitet werden müssen. Sorgen bereitet ihr die Position des Papstes in einigen ethischen Fragen: „Uns ist klar, dass seine Haltung deutlich konservativ ist. Andernfalls wäre er wohl kein Papst geworden. Er hat klare Überzeugungen, die er deutlich vertritt. Manchmal ist das gut, manchmal schwierig. Das haben wir in Argentinien gemerkt bei den Fragen wie Abtreibung nach einer Vergewaltigung oder die Gleichstellung der Ehe mit homosexueller Partnerschaft. In sozialen Fragen steht er allerdings eindeutig auf der Seite der Armen und Ausgegrenzten.“

Die Verantwortlichen der IERP betonen die Dialogbereitschaft des neuen Papstes in ökumenischen Fragen: „Er kennt die evangelische Welt sehr gut. Zudem gab es einen ernsthaften Dialogprozess mit den evangelischen Vertretern.“ Sonja Skupch erinnert sich an den Besuch des EKD-Auslandsbischofes Martin Schindehütte in Argentinien: „Kardinal Bergoglio war sofort gesprächsbereit. Das heißt aber nicht, dass die Ökumene eine seiner Prioritäten wäre.“

Der Rat der Kirchen in Lateinamerika (CLAI) mit Sitz in Quito/Ecuador erwartet, dass Papst Franziskus sein soziales Engagement fortsetzen wird. Der Generalsekretär Nilton Giese: „Wir kennen die Arbeit des neuen Papstes als Erzbischof von Buenos Aires. Dort haben wir ihn erlebt als einen Menschen, der kritisch Stellung bezieht bezüglich der Entwertung der Arbeit, der schmerzhaften Migrationsprozesse und mangelhaften Zukunftschancen für die Jugend. Als CLAI hoffen wir zudem auf eine klare Positionierung zu den Themen wie Ausbeutung der Bodenschätze und Stärkung der Rechte für indigene Völker, sowie einen Einsatz für Menschen, die unter interfamiliärer Gewalt leiden. Wir sind ökumenisch herausgefordert, in diesen Fragen zu einer Stimme zu finden, um Veränderungen in unseren Gesellschaften zu erreichen. Im ökumenischen Dialog haben wir Bergoglio als einen aufmerksamen Gesprächspartner erlebt und hoffen daher auch auf diesem Gebiet auf konkrete Fortschritten und Gesten.“

Der Vorsitzende des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen und früherer Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien, Pastor Dr. Walter Altmann, bewertet die Wahl von Papst Franziskus als einen „Wendepunkt für die Christenheit“: „In den letzten Jahrzehnten hat sich das weltweite Christentum radikal nach Süden verlagert. Die Wahl eines argentinischen Papstes spiegelt diese neue Realität wider.“ Auch Altmann hofft auf Fortschritte in ökumenischen Fragen: „Ich erwarte, dass seine Amtszeit geprägt sein wird vom intensiven und tiefen ökumenischen Dialog und von Zusammenarbeit.“

Der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Munib Younan, und der Generalsekretär Martin Junge schreiben dem Papst: „Möge Ihr Dienst getragen sein von der Hoffnung auf jene Dinge, die Gott für die Welt bereitet hat und die das Zeugnis aller christlichen Kirchen weltweit inspirieren.“

Als 266. Papst wurde Franziskus am 19. März 2013 in Rom in sein Amt eingeführt.

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